Wird Virtual Reality in der Industrie 4.0 zum zentralen Bestandteil?

Wer von Industrie 4.0 spricht, kommt aktuell an Virtual Reality kaum noch vorbei. Der Begriff „Industrie 4.0“ steht für die zunehmende Vernetzung von Mensch, Material und Maschine. Dies bedeutet eine Verzahnung der industriellen Produktion mit modernen digitalen Informations- und Kommunikationssystemen. Bereits jetzt findet man VR-Anwendungen beispielsweise in der Planungsphase, in der Visualisierung von Arbeitsprozessen oder Produktionsabläufen sowie bei der Produktion und Steuerung.

Handelt es sich bei den im Markt befindlichen VR Use Cases um Experimente oder um alltagstaugliche Anwendungen mit breiter Nutzerschaft? Wie sieht es langfristig aus? Ist Virtual Reality in der Industrie  nur ein Hype oder kann es sich gar zu einem zentralen Bestandteil entwickeln?

Diesen Fragen gehen wir anhand von Beispielen nach und untersuchen hierbei die drei großen Bereiche VR, AR und MR.

 

1. Virtual Reality wird auch im B2B-Umfeld immer beliebter


Jeden Tag werden neue Möglichkeiten für den Einsatz von Virtual, Augmented und Mixed Reality für die Industrie entdeckt und es scheint bei Weitem noch kein Ende in Sicht. Da VR vor allem in Konsumerbranchen wie z. B. Games und Entertainment schon jetzt große Erfolge feiern konnte, stellt sich die Frage, inwiefern dies auf die häufig komplexeren Themen der B2B-Welt übertragbar ist. Das wäre ein guter Indikator für die Eignung von Virtual Reality für Industrie-4.0-Themen. Denn Industrie 4.0 ist ein typischer Anwendungsfall der B2B-Welt.

Glaubt man den Erhebungen namhafter Researcher, so sind die Zeichen als äußerst positiv zu bewerten. So gehen Deloitte, Fraunhofer FIT und Bitkom in ihrer Studie „Head Mounted Displays in deutschen Unternehmen“ davon aus, dass sich der B2B-Umsatz mit Hardware im Jahr 2020 auf rund 88 Millionen Euro belaufen wird.

Abbildung 1: B2B-Umsätze mit Virtual, Augmented und Mixed Reality in Deutschland (Mio. €), Quelle: Studie „Head Mounted Displays in deutschen Unternehmen“ von Deloitte, Fraunhofer FIT, Bitkom

[Im Folgenden wird bei der Untersuchung der Anwendungsmöglichkeiten in der Industrie 4.0 nach den drei großen, teilweise als „All Reality“ bezeichneten Technologieformen Virtual Reality, Augmented Reality und Mixed Reality unterschieden. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser drei Varianten sind im Web mittlerweile umfangreich erläutert, weshalb wir an dieser Stelle auf die Klassifizierung nicht näher eingehen. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Seite zum Thema VR Technologie.

2. Virtual Reality: In der Industrie 4.0 klar die vorherrschende Variante


Ein besonderes Kennzeichen von Virtual Reality ist die Immersion, ein Effekt, der durch das vollständige Eintauchen in die virtuelle Welt entsteht und dafür sorgt, dass diese als real empfunden wird. In virtuellen Welten können somit Industrieprodukte oder auch Arbeitssituationen realistisch simuliert werden, die es so noch nicht gibt. Dies eröffnet für die Industrie Möglichkeiten auf zahlreichen Ebenen:


VR Protoyping


Die Anwendungsbereiche von Virtual Reality für die Industrie sind daher sehr vielfältig. Einen besonderen Nutzen liefert diese für die Visualisierung von Produkten und Prozessen, die noch nicht existieren. Die VR-Technologie kann dadurch bereits in der Planungsphase effektiv eingesetzt werden. So können Ingenieure und Designer mithilfe von VR virtuelle Produkte testen und auf Fehler hin überprüfen. Die VR-Technologie macht es möglich, dass ein Produkt bereits vor seiner Fertigstellung aus allen Blickwinkeln betrachtet und so optimal ausgearbeitet werden kann. So lassen sich Einsparungen in der Anfertigung von physikalischen Prototypen erzielen, da Fehler und Unstimmigkeiten bereits durch die simulierte praktische Anwendung aufgedeckt werden. Neben einzelnen Produkten können auch ganze Produktionsabläufe virtuell simuliert werden, was es ermöglicht, diese effizienter und effektiver zu gestalten und die Produktion dadurch zu beschleunigen.

Ein Beispiel hierfür ist Bell Helicopter, die das erste „Konzeptflugzeug des Unternehmens“ mit VR entwickelten. In der Regel dauert es fünf bis sieben Jahre, um einen Hubschrauber zu entwerfen. Durch den Einsatz der VR-Technologie gelang es Bell den FCX-001 in weniger als sechs Monaten zu konzipieren. Die Ingenieure konnten von Anfang an mit dem vollständigen virtuellen Modell arbeiten und dies den Testpiloten zur Verfügung stellen. Deren Feedback konnte dadurch schneller erfasst und umgesetzt werden. Der Einsatz von VR erbrachte eine enorme Zeit- und Geldersparnis für Bell.




Erlebbarmachen von CAD-Daten


Ein weiteres zentrales Thema in der Industrie ist die enorme Datenmenge, die durch CAD-Modelle anfällt und die es bestmöglich zu visualisieren gilt. Auf dem Markt gibt es hierzu Lösungen, die es ermöglichen, CAD-Daten direkt in VR nutzen zu können. Durch die VR-Applikation können Konstrukteure und Ingenieure direkt in ihre Planung eintauchen und sie in der virtuellen Realität erleben.


VR Präsentationen überzeugen Kunden, Mitarbeiter und Investoren


Die VR-Technologie ist auch ein nützliches Tool, um Kunden, Geschäftspartnern und Investoren geplante Projekte und Produkte vor ihrer Umsetzung virtuell zu präsentieren. Dies bietet die Möglichkeit, noch unsichere Geschäftspartner von geplanten Vorhaben zu überzeugen, was auch der Augsburger Roboterhersteller KUKA für sich erkannt hat. Mithilfe einer neuen Software für die 3D-Simulation von Fabrikplanungen können Techniker oder Vertriebsbeauftragte von KUKA den Kunden vor Ort nun Entwürfe und Fertigungslösungen in VR präsentieren. Die VR-Anwendung bietet damit einen völlig neuen Zugang zur Fabrikplanung.


Schulung von Mitarbeitern


Ein weiterer wichtiger Bereich der Industrie ist die Schulung von Mitarbeitern im Umgang mit Produkten und dem Ablauf von Arbeitsprozessen. Auch hier kann die VR-Technologie einen wertvollen Beitrag leisten. In den virtuellen Welten können Mitarbeiter Geräte und Maschinen virtuell bedienen, bevor sie diese im wahren Leben kennenlernen. Der Umgang mit sensiblen Geräten kann so in einer sicheren Umgebung trainiert werden. Dadurch können Arbeitsabläufe simuliert und diese gezielt geschult werden. Die Mitarbeiter können ihr theoretisches Wissen in der virtuellen Umgebung praktisch anwenden. VR-Schulungen eignen sich besonders, wenn das reale Training nicht möglich ist, zu hohe Kosten verursacht oder ein hohes Verletzungspotenzial besteht.

Weitere Vorteile virtueller Schulungen sind, dass sie beliebig oft durchgeführt werden können, die Mitarbeiter in der virtuellen Simulation vollkommen sicher sind und die Schulung nicht den laufenden Betrieb stört, weshalb es nicht zu Ausfällen in der Produktion kommt.

Beispiele für virtuelle Schulungen sind für den Tagebau der virtuelle Tunnelbohrer und der Kettendozer-Fahrsimulator. Der virtuelle Tunnelbohrer wurde für die Aus- und Weiterbildung von Tagebaumitarbeitern entwickelt, damit diese die maschinelle Tunnelvortriebstechnik virtuell kennenlernen, bevor sie in der Realität neue Infrastrukturen unter der Erde bohren. Mit dem Fahrsimulator können Mitarbeiter virtuell das Arbeiten in unmittelbarer Nähe zu anderen Geräten wie Absetzern oder Baggern und das GPS-gestützte Arbeiten gefahrlos trainieren.


VR-Fernwartung von Industrieanlagen am Beispiel Voith


Der HyService von Voith bietet ein weltweites Experten-Netzwerk, das die Verlängerung der Lebensdauer von Wasserkraftanlagen sowie den Erhalt der maximalen Leistungsfähigkeit dieser, im Fokus hat. Durch den Einsatz der Virtual Reality Technologie soll der HyService interaktiv erlebbar gemacht werden. Gemeinsam mit Ray Sono entwickelte VR-Dynamix eine Virtual Reality Anwendung, die es ermöglicht in die Rolle eines technischen Leiters zu schlüpfen und das Wasserkraftwerk aus einer neuen Perspektive zu erleben. Die VR-Anwendung ermöglicht es auch mit Service-Experten zusammenzuarbeiten und so Wartungs- und Reparaturarbeiten zu beschleunigen und den Kraftwerksbetrieb somit zu optimieren. Erfahren Sie mehr über unsere Case Study Voith.

3. Augmented Reality: In der Industrie 4.0 vor allem für die Wartung im Einsatz


Augmented Reality bietet die Möglichkeit, unter Zuhilfenahme von Tablets oder Displays weitere nützliche Informationen für den Betrachter anzuzeigen. Daher eignet sich diese Technologie besonders für Service- und Wartungsarbeiten.


Mehrwert durch Einblendung von Zusatzinformationen


Auch der Einsatz von Augmented Reality findet im Bereich Industrie 4.0 vielfältige Einsatzmöglichkeiten. So können den Technikern die erforderlichen Werkzeuge und Teile in ihrer Arbeitsumgebung über ein Display oder Tablet eingeblendet werden. Mussten die Mitarbeiter früher in endlosen Handbüchern blättern, können sie jetzt schnell am Ort des Geschehens ihre Arbeitsschritte angezeigt bekommen.

Durch die AR-Technologie können nützliche Zusatzinformationen und Darstellungen eingeblendet werden, um die Durchführung von Wartungsarbeiten deutlich zu erleichtern. Steht ein Servicetechniker mit einem iPad oder Tablet vor einer Maschine, erscheinen die Anweisungen visuell auf dem realen Gerät. Neben diesen Anweisungen erhält der Nutzer auch Geräteinformationen sowie die Wartungsinstruktionen zu den gängigen, aber auch zu Sondermodellen. Somit kann der Servicetechniker die Wartungsarbeiten Schritt für Schritt ausführen. Der Techniker vor Ort kann sich per Videotelefonie auch mit den entsprechenden Experten vernetzen und wird durch die audiovisuelle Unterstützung in die Lage versetzt, Probleme selbst zu beheben. Dies erspart Reisezeit und Kosten für den Einsatz von Experten.


Beispiel Luftfahrtbranche


In der Luftfahrtbranche kommt die AR-Technologie bereits für Wartungsarbeiten zum Einsatz. Hier nutzen Servicetechniker Smartphones oder Tablets, um in Echtzeit direkt am Objekt Details zu Flugzeugteilen zu erfragen. Hierzu lassen sie die Fotos von Bauteilen mit der Datenbank abgleichen und erhalten dann weitere Informationen wie z. B. CAD-Daten, 3D-Animationen, Videos, eine Fehleranalyse oder sogar die durchzuführenden Wartungsschritte. Benötigen sie weitere Informationen, können sie mit anderen Experten eine Webkonferenz über das Tablet abhalten. Die Servicetechniker können außerdem in den Aufnahmen virtuell Bereiche markieren, die einer weiteren genaueren Untersuchung bedürfen, z. B. Haarrisse. Die AR-Lösung ermöglicht es auch, den Lagerbestand von Ersatzteilen zu ermitteln oder Teile direkt anzufordern.

4. Auch Mixed Reality hat bereits Einzug in die Industrie gehalten


Spricht man von Mixed Reality, so geht es um die perfekte Verschmelzung von realer (dreidimensionaler) Welt mit der virtuellen (dreidimensionalen) Welt. Hologramme sind ein Beispiel dafür. Mixed Reality ist sehr komplex und steckt in vielerlei Hinsicht noch im Experimentierstadium. Sie wird zum heutigen Stand vor allem durch die Microsoft-HoloLens-Technologie abgedeckt.

Über die Brille werden dem Nutzer Hologramme in der realen Umgebung eingeblendet. Die HoloLens kann wertvolle Informationen wie Echtzeitdaten und Servicemeldungen liefern und ermöglicht es, Bilder und Videos abzurufen. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, sich per Videotelefonie mit anderen Kollegen zu verbinden und gemeinsam ein Problem zu lösen. Die Steuerung der HoloLens erfolgt intuitiv über Sprache, Blicke und Gesten. Da der Nutzer durch das Tragen der Brille seine Hände jederzeit frei bewegen kann, findet Mixed Reality in der Industrie 4.0 im Bereich Wartung ein breites Anwendungsfeld.

Der führende Hersteller von Flurförderzeug-, Lager- und Materialflusstechnik Jungheinrich nutzt die HoloLens mit einer für ihn speziell entwickelten App zur Reparatur eines hydraulischen oder elektrischen Staplers. Die App zeigt dabei nicht nur Bauteile an, sondern auch gefährliche Bereiche, in denen z. B. Stromschläge drohen. Durch den Einsatz von MR sollen Service- und Wartungsarbeiten effizienter gestaltet werden, sodass diese möglicherweise auch der Kunde selbst ausführen kann.

Auch Thyssenkrupp setzt auf MR und stattet seine Servicetechniker mit der Datenbrille aus, um so die Wartungszeit bei den Aufzügen zu verringern.

5. Fazit


Wie man sieht, gibt es bereits eine Vielzahl von Beispielen der Virtual-Reality-, Augmented-Reality- und Mixed-Reality-Anwendungen in der Industrie 4.0. Die Technologie bietet die Möglichkeit, Produkte und Prozesse zu visualisieren, produzieren und zu steuern. Mitarbeiter gezielt zu schulen und Anlagen einfacher zu warten. Dadurch können Fehler reduziert, Prozesse optimiert und Kosten und Zeit eingespart werden. Da VR-, AR- und MR-Anwendungen somit ein großes Potenzial für die Industrie 4.0 bieten, ist davon auszugehen, dass sie zunehmend zu einem festen Bestandteil derselben werden. Wir können gespannt sein, wie sich die Industrie mit dieser Technologie weiterentwickeln wird.

 

Mehr über uns und unsere Arbeit im Bereich VR, AR und MR erfahren Sie auf unserer Seite VR-Agentur.

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