Virtual-Reality-Finance: Fakt oder Fiktion?

Virtual Reality ist mittlerweile nicht mehr lediglich der Games- und Entertainmentbranche vorbehalten, sondern hat Einzug in viele Businessbranchen erhalten, die eher traditionell und konservativ eingefärbt sind. Dies haben wir in den zahlreichen VR-Branchenchecks demonstriert. Insofern verwundert es nicht, dass auch die Branche der Finanzdienstleister mit dieser Technologie in Berührung gekommen ist, gerade als Virtual Reality circa im Jahr 2015 immer mehr Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erlangte.

Bedenkt man, dass die Branche, angetrieben von der digitalen Transformation und steigender Kundenzentrierung, immer neue Wege geht, um gerade junge Kunden zu gewinnen, so darf auch Virtual Reality nicht fehlen. Betrachtet man die Virtual-Reality-Initiativen „von damals“, die Banken und Versicherungen ca. 2015 und 2016 gewagt haben, so handelte es sich ausschließlich um Projekte mit Leuchtturmcharakter. Seitdem haben sich sowohl Virtual Reality als auch die digitale Transformation bei Banken und Versicherungen weiter stark entwickelt. Spannend ist also die Frage, wie Virtual Reality heute in der Branche der Finanzdienstleister eingesetzt wird.

In diesem Branchencheck gehen wir dieser Frage nach. Wie immer führen wir unsere Untersuchung anhand der drei großen Bereiche Virtual (VR), Augmented (AR) und Mixed Reality (MR) durch.

1. Virtual Reality im Finanzsektor – ein Ergebnis konsequenter Kundenorientierung


Die Berücksichtigung der potenziellen Kundenmeinung ist ein fester Bestandteil des Implementierungsprozesses von Innovationen, sogar wenn es um den konservativen Finanzsektor geht. Auch in der Branche der Finanzdienstleister werden die Wünsche des Kunden ins Zentrum des Geschehens gestellt (Customer Centricity). Hier erscheint dieser Prozess als ein logischer Schritt. Wünscht sich der Kunde (gerade die attraktive „junge Zielgruppe“) neue Technologien wie z. B. Virtual Reality, so wird das bei diversen Instituten zumindest probiert.
Stellvertretend für dieses Verhalten seien hier die Ergebnisse des Global Consumer Reports über die Akzeptanz neuer Bezahl- und Shoppingtechnologien angeführt. Dem Bericht zufolge wird die Nutzung von Virtual Reality beim Onlinekauf von 61 Prozent (global) und von 49 Prozent in Deutschland als positiv wahrgenommen. Berücksichtigt man die zahlreichen Vorteile dieser Technologien in anderen Branchen (z. B. Industrie oder Medizin), überrascht es nicht, dass nun auch die Finanzbranche mit VR, AR und MR experimentieren will.

Abbildung 1: Akzeptanz neuer Bezahl- und Shopping-Technologien, Quelle: Global Consumer Report, Wirecard, 2020.

Generell scheint der Einsatz von Virtual Reality bei Banken, Versicherungen und Sparkassen nach wie vor interessant. Eine Aussage, die vor ca. fünf Jahren niemand so unterschrieben hätte. Im Folgenden gehen wir systematisch auf die Frage ein, wie weit der Einsatz von Virtual Reality in der Branche vorgedrungen ist. Wie bei allen Branchenchecks unterscheiden wir auch hier zwischen Virtual Reality, Augmented Reality und Mixed Reality.

[Aufgrund der mittlerweile starken Verbreitung der Technologien und umfangreichen Informationen, die bereits im Web zu finden sind, werden wir hier die Unterschiede nicht ausführen. Bei Interesse können Sie nähere Informationen zu diesen Technologien jedoch auf unserer Seite vorfinden.]

2. Virtual Reality leistet einen wertvollen Beitrag bei Customer Experience und Candidate Experience

Prinzipiell verwenden wir hier den Begriff „Virtual Reality“ der Einfachheit halber als Überbegriff, der auch die anderen beiden Unterdisziplinen umfasst. Aber in diesem Kapitel geht es speziell um Virtual Reality im engeren Sinne, d.h. man wird mithilfe einer Brille in eine andere Welt „entführt“, in der man sich vollständig integriert fühlt (Immersion). Die immersive Natur der VR ermöglicht eine attraktive Visualisierung von komplexen Finanzprodukten, -dienstleistungen oder -lösungen, die für die Kunden oft uninteressant oder gar unverständlich sind. Prinzipiell ist Immersion immer vielversprechend, wenn es um Visualisierung von unsichtbaren oder gar „langweiligen“ Zusammenhängen geht. Somit eröffnen sich für die Finanzbranche Möglichkeiten auf zahlreichen Ebenen:

Virtual Reality zur Verbesserung der Customer Experience


Viele Finanzinstitute verwenden die VR-Technologie, um das Erlebnis für die Kunden attraktiver zu gestalten und so ihre Kundenbeziehung zu stärken. Eine solche VR-Anwendung implementiert bereits die VR Bank Bamberg (VR ist hier nicht mit Virtual Reality zu verwechseln, sondern steht für „Volks- und Raiffeisenbank“ 😊). Mit einer VR-Brille haben Kunden die Möglichkeit, eine zweiminütige Sequenz zu genießen, in der sie über exotische Palmenstrände oder schöne Bergwelten hinwegschweben. Gleichzeitig werden sie von einem Bankberater auf mögliche Vorsorgethemen aufmerksam gemacht. Dank der VR-Brille ist es möglich, die Risikobereitschaft der Kunden bei Finanzanlagen zu bestimmen sowie die verschiedenen Risikostufen zu erklären. Per Kopfbewegung können die Nutzer die verschiedenen Inhalte über die VR-Brille ansteuern und zum Schluss gleich die für sie passende Risikostufe auswählen. Bei dieser Anwendung ist auch die selbst bei Finanzdienstleistern immer bedeutsamer werdende Gamification der Customer Journey zu erkennen. Ein weiterer starker, von der Games-Branche unabhängiger Trend: Hierbei wird der potenzielle Kunde spielerisch zu Aktionen bewegt, wie in diesem Fall, seine Risikoneigung bei der Anlage zu ermitteln.

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Die Volksbank Ruhr Mitte benutzt Virtual Reality zur Verbesserung des Kundenerlebnisses bei Immobilienbesichtigungen. Dank der VR-Technologie und der 360-Grad-Animationen können die Nutzer erst einmal in Ruhe eine überlegte Vorauswahl treffen. Wer z. B. Interesse an einer Auslandsimmobilie hat, sollte nicht einfach auf Verdacht eine Reise buchen, um das gewünschte Objekt zu besichtigen. Darüber hinaus sind die VR-Präsentationen auch eine Hilfe für die Auswahl der Immobilie vor Ort, denn es muss nicht erst ein Besichtigungstermin vereinbart werden.

Eine weitere Anwendung von Virtual Reality findet man bei der nächsten vermeintlich sehr konservativen Organisation: Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) hat eine Anwendung entwickelt, die begleitend zur Kundenberatung Bilder über VR liefert, um auf diese Weise die Produkte und deren Nutzen den Kunden klarer darzustellen.

Dank VR Mitarbeiter- und Bewerberbeziehung zum Unternehmen stärken


Neben der Stärkung der Kundenbeziehung können Finanzinstitute Virtual Reality auch für ihre eigenen Mitarbeiter bzw. Bewerber sinnvoll nutzen. Die Technologie leistet einen wertvollen Beitrag z. B. für die Schulung von Mitarbeitern im Umgang mit Produkten und Dienstleistungen. Ein Beispiel dafür liefert die Volksbank-Akademie – sie setzt auf VR mit 360-Grad-Videos, um den Lernprozess für die Volksbank-Mitarbeiter effizienter, innovativer und auch unterhaltsamer zu gestalten.

Darüber hinaus nutzt der schweizerische Versicherungs- und Finanzberatungskonzern Swiss Life Virtual Reality, um die Mitarbeiterbeziehung auf eine interessante Weise zu stärken. Mit mehreren 360-Grad-Videos von Kunden können die Mitarbeiter in deren Welt eintauchen und hautnah erleben, wie Swiss Life mit Produktlösungen und Finanzberatung Menschen dabei geholfen hat, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, z. B. im Falle einer Berufsunfähigkeitsversicherung nach einer Burnout-Diagnose oder als Unterstützung für den finanziellen Weg in die Selbstständigkeit.

Mithilfe eines 360-Grad-Films gibt die Targobank ihren Bewerbern schon frühzeitig die Gelegenheit, einmal hinter die Kulissen der Targobank-Welt zu schauen, um die sog. Candidate Journey in der Orientierungsphase zu erleichtern. Die Bewerber erhalten zunächst eine Einladung zu einer Tour, wo sie einen ersten Einblick in das künftige Arbeitsumfeld erhalten und dabei ihr Können in verschiedenen Leistungstests unter Beweis stellen dürfen. Die Testfragen sind in eine Storyline eingebettet, die im späteren Arbeitsumfeld stattfindet. Dabei hat jeder Bewerber die Möglichkeit, als Azubi zu agieren, und wird von virtuellen Figuren begleitet.

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Ein weiteres Beispiel, das das potenzielle Interesse künftiger Bewerber wecken sollte, ist der virtuelle Rundgang im Gebäude der Deutschen Bundesbank. Mithilfe einer Virtual-Reality-Brille kann der Nutzer einen virtuellen Spaziergang im Arbeitszimmer des Bundesbankpräsidenten erleben und sogar die Goldbarren im Banktresor hautnah erleben.

VR für die Vermittlung von Informationen zur Schadensverhütung


Zwar mangelt es nicht an vielversprechenden Ideen, doch ist die Versicherungswelt noch etwas ruhiger bezüglich VR. Ein erwähnenswertes Beispiel ist das sog. interaktive sichere Haus der VGH Versicherungen. Dabei geht es um ein virtuell begehbares Haus, in dem an zahlreichen Stationen Informationen zur Schadensverhütung in verschiedenen Bereichen abgerufen werden können - Einbruch, Feuer, Wasser u. a. An den potenziellen Gefahrenquellen befinden sich Video-Icons mit Praxistipps zur Schadensprävention, in denen thematisch versierte Fachleute zu Wort kommen.



3. Augmented Reality – insbesondere für Versicherer ein Thema


Es lassen sich ohne Weiteres interessante Case Studies im Bereich der immersiven Virtual Reality finden. Wie sieht es bei Augmented Reality aus? Im Gegensatz zu Virtual Reality arbeitet die Augmented Reality nicht mit Immersion. Als Device genügen i. d. R. Smartphones. In vielen Branchenchecks, die wir hier auf unserer Website veröffentlicht haben, lassen sich dementsprechend eher Case Studies zu Augmented Reality finden als zu reiner (immersiver) Virtual Reality. Während in anderen Branchen Augmented-Reality-Case-Studies die VR im engeren Sinne dominieren, ist das hier nicht der Fall. Belastbare Case Studies sind schwer zu finden. Dennoch hier zwei Beispiele.

Die Gebäudeversicherung Graubünden (GVG) nutzt Augmented Reality, um Gebäudebesitzer allgemein für Gebäudeschäden durch Überschwemmungen zu sensibilisieren, aber auch für mögliche Gefahren an ihrem Haus.

Ein völlig anderer Grund bewegt die österreichische Merkur Versicherung dazu, eine AR-Lösung zu implementieren. Anlässlich des 222-jährigen Geburtstages der Versicherung wird ihre Geschichte nicht nur im Druckwerk erzählt, sondern auch mit einer Augmented-Reality-Web-Engine erlebbar gemacht. Jeder Interessent kann die Seiten des Berichts scannen und das Storytelling der 222 Jahre alten Merkur in einer neuen Dimension erleben. Gerade dieses Beispiel ist typisch für konservative Branchen, die mit neuen Technologien experimentieren. Ein besonderer Firmenanlass, z. B. ein Jubiläum, gibt den Anstoß für die Verwendung einer solchen Technologie.

4. Mixed Reality in der Finanzdienstleistungsbranche: Immer noch eine Fiktion



Expertenmeinungen zufolge wird der Mixed Reality in der Finanzbranche großes Potenzial zugeschrieben, jedoch bestätigt auch der Branchencheck der Finanzdienstleister, dass die Mixed Reality noch in den Kinderschuhen steckt. Es lassen sich keine echten Case Studies über den Einsatz von Mixed Reality bei Banken, Versicherungen und sonstigen Finanzdienstleistern finden, die über Ideen hinausgehen.

5. Fazit


Wie hat sich also Virtual Reality seit den ersten Gehversuchen vor ca. fünf Jahren in der Branche entwickelt? Streng genommen sind zwar viele relevante Case Studies bei interessanten Instituten zu finden. Bedenkt man, dass sich Virtual Reality in dieser Zeit technologisch rasant verbessert hat und die Banken- und Versicherungswelt weitaus digitaler geworden ist, hängt dieses Ergebnis aber eigentlich hinter den Erwartungen zurück.

Den aufgeführten Beispielen zufolge leisten die VR-Technologien aktuell einen wertvollen Beitrag überwiegend für die Stärkung der Markenbekanntheit der Finanzinstitute und im Bereich der Personalentwicklung, jedoch sind sie noch kein wesentlicher Bestandteil der Kernprozesse in dieser Branche. Berücksichtigt man den Umstand, dass Virtual Reality diese Rolle schon seit Jahren einnimmt, ist die Frage erlaubt, ob es jemals genügend Bedarf in der Branche geben wird, damit Virtual Reality flächendeckend und im Alltag eine Rolle spielt. Insofern ist Virtual Reality für die Branche der Banken und Versicherungen als durchschnittlich relevant einzustufen.

Vergleicht man im Rahmen dieses Gesamturteils die drei Bereiche VR, AR und MR miteinander, wird ein klarer Vorsprung der Virtual Reality beobachtet, was auch die Vielzahl an Case Studies indiziert. Selbst wenn aktuelle Anwendungsfälle von AR und MR im Finanzsektor weitestgehend noch nicht ausgereift sind, wird diesen Technologien auch ein großes Potenzial zugeschrieben, insbesondere wegen der Chance zur Emotionalisierung der immateriellen Produktwelt der Finanzbranche.